Einführung Requiem- Tim Günther


Einleitung zu
Henning Schmiedt – Requiem
nach
Paula – eine Erinerung von Johann Heinrich Radeloff

Das Sujet des Werkes beruht auf autobiografischen Texten des deutsch-japanischen Kuenstlers Heinrich Johann Radeloff. Darin beschreibt und beklagt er das Schicksal eines ihm bekannten etwa 14-jaehrigen Maedchens, das in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges auf tragische und grausame Weise ums Leben kam. Radeloff, der das Maedchen und ihre Familie tot auffand, beschreibt sein Erlebnis detailliert und in bedrueckender, gleichwohl aber sehr poetischer Weise. Im Zentrum steht keinerlei Anklage, sondern die “Erinnerung” an das Maedchen, das er nicht vergessen konnte, und das auch niemand einfach vergessen sollte. .

Henning Schmiedt waehlte zur Vertonung eines Teils dieser Texte die Form des “Requiem”, der Totenmesse. Das Requiem ist keine Trauer-Musik oder trauernde Musik, sondern eine Festmusik fuer die Toten oder den Tod selbst. Es findet also eine Art der Distanzierung, der Verallgemeinerung statt. Es geht insbesondere darum, dass Kriege, von wem auch immer sie ausgehen, zu allererst und allermeist die Kinder treffen. Kinder haben in allen Kriegen die meisten Opfer zu bringen. Ohne dass sie eine Einflussmoeglichkeit haetten, wird ihr Leben beeinflusst, meist fuer immer beeintraechtigt. Immer oefter werden Kinder auch gezwungen, zu Akteuren kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden. Jocelyn B. Smith, die auf der CD das Sopran-Solo singt, wies darauf hin, dass Kinder auch diejenigen sind, die den Erwachsenen bei der Verarbeitung der traumatischen Kriegserlebnisse helfen und so zu unsagbar wichtigen Partnern werden. Sie nehmen nicht nur die Atmosphaere auf, sondern helfen durch ihr Interesse, ihr Nachfragen, ihre Suche nach einem Sinn des Ganzen, Verdraengtes ans Licht zu holen, neu zu ordnen und zu betrachten. Oft koennen nur so diese tiefen Wunden heilen. Auf diese Weise bleiben Kinder eine immer waehrende Herausforderung fuer uns im Umgang mit der Geschichte. Dies ist fuer uns alle ebenso wichtig wie schwierig, stellt es doch unsere so allgegenwaertige Kriegslogik fuer alle Zeit in Frage.

Der Name Paula existiert in sehr vielen Sprachen der Welt. Henning Schmiedt widmet sein Requiem allen “Paulas”, allen Kindern, die auf unterschiedlichste Weise zu Kriegsopfern werden. Auch hier waehlt er eine Verallgemeinerung. Auf diese Weise kommt dem Kinderchor in diesem Werk eine besondere Rolle zu.

Tim Guenther Kirchenmusiker Direktion der Kulturkirche St. Stephani Bremen